Erinnerungen an die ehemalige St. Veitskapelle

Am 15. Juni feiern wir den Namenstag des Heiligen St. Vitus, er war zugleich Patron der Kinder. In Bad Schussenried erinnert uns am Café Andelfinger das im Jahr 1980 von Roland Heber gemalte Bildnis an den Heiligen. Wenn wir hier die St.-Veit-Straße in östliche Richtung über die Hauptstrasse verlängern würden, stoßen wir auf den Platz der ehemaligen St. Veitskapelle.

In der Schussenrieder Geschichte wurde der Veitsgarten erstmals um 1220 erwähnt, denn zu diesem Zeitpunkt hatten die Ritter von niederem Adel Friedrich und Heinrich ihre Burg am alten Sägeweiher, dem sogenannten Veitsgarten. Dass Sankt Veit schon früher ein besonderer Tag war konnte man daran erkennen, dass Abt Oswald Escher (1575/82) am 9. Juni 1582 einen ewigen Jahrtag für sich und seine Eltern stiftete.
Um 1610 wurde die St. Veitskapelle durch Abt Martin Dietrich (1606/21) erbaut. Um diese Zeit wütete in Schussenried die Pest, somit wurden diese Kapelle zur Pestpfarrkirche und das naheliegende Gebäude St. Auxentius Gasthaus „Zum Bären“ zum Pestpfarrhaus.

Am 11. Juni 1652 wurde der Altar der St. Veitskapelle durch Abt Rohrer wiederholt geweiht.  Vier Jahre später, am 18.5.1656, fand die Glockenweihe der St. Veitskapelle durch Abt Arzet statt.

Am Fasnachtsdienstag 1659 wurde durch den Klosterschreiner Manz versehentlich Obermüller Herz in der Schießstätte erschossen. Der Leichnam wurde in die St. Veitskapelle getragen, dort während der Nacht bewacht und am Folgetag dann auf dem Friedhof beerdigt. Gegen Ende des Monats Oktober im Jahre 1706 wurde vom Maler Örtel aus Rottenburg der Altar der St. Veitskapelle neu gefasst.

Bei einem im April 1726 abgehaltenen Jubiläum wurden prozessionsweise gemeinsam Kirchenbesuche in den Gotteshäusern der Gemeinde durchgeführt.  Begonnen wurde in der St. Veitskapelle. Weil in der Kapelle aber nicht alle der zirka 500 Prozessionsteilnehmer  Platz hatten, wurde fünfmal gewechselt, so dass jeder Teilnehmer physisch in der Kapelle war. Im Jahr 1756 wurde die Glocke der St. Veitskapelle durch den Biberacher Glockengießer umgegossen. 15 Jahre später entstand der Gedanke, diese  Kapelle so zu vergrößern, dass drei Altäre Platz hätten. Diese Idee wurde jedoch wieder verworfen. 1776 wurde für diese Kapelle ein Antependium angeschafft.  Ein aus der Stiftskirche stammender, im 15 Jahrhundert  kunstreich gefertigter Chorstuhl wurde ebenfalls um diese Zeit in die St. Veitskapelle verbracht.

Solange das Kloster noch bestand, wurden in dieser Kapelle an Werktagen oft Gottesdienste abgehalten. Namentlich am Fest des Heiligen St. Vitus (15. Juni) wurden mehrere heilige Messen gelesen.  Das Kapellenpatrozinium wurde übrigens auch nach der Klosteraufhebung  immer noch durch die Feier des heiligen Messopfers ausgezeichnet. Bei diesem Anlass wurde eine feierliche Kindersegnung  vorgenommen, auch erfolgte an einzelne Schüler eine Verteilung von Skapulieren. So gestaltete sich der St. Veitstag jedes Jahr von einer Erinnerungsfeier an einen speziellen Schülerschutzheiligen zu einer Art Kinderfest. An diesem Tag wurde der Jugend außer der religiösen Erhebung und Belehrung auch eine kleine weltliche Freude bereitet: Nach Beendigung des Gottesdienstes wurden die Kleinen von ihren Angehörigen meistens mit Kirschen, das heißt mit den ersten reifen Baumfrüchten des Jahres, beglückt. Die Kapelle wurde auch als „kleine Schwester“ der St. Martinskapelle beim Friedhof bezeichnet und hatte ein Grundmaß von 9 mal 3 Metern.

Nach der schrecklichen Missernte im Jahr 1816 konnte 1817 wieder eine gute Ernte eingefahren werden. Der erste Roggenwagen wurde am 29. Juli 1817 mit einer Prozession ab der St. Veitskapelle abgeholt. Der damalige Mesmer Xaver Ruez schrieb: „Morgen halb zehn Uhr wurde die große Glocke von Xaver Ruez geläutet“. Um 10 Uhr begab man sich von der Kirche in Prozession mit Kreuz und Fahne zur St. Veitskapelle, um den ersten Roggenwagen abzuholen. Voraus zogen die Schulkinder mit Blumen und kleinen Roggengarben geschmückt, begleitet von ihrem Lehrer Jakob Schmid. Nun folgte der Roggenwagen, verziert mit Blumen und einem Kreuz, der Magnus Nußbaumer gehörte. Auf dem Sattelgaul saß der neunjährige Anton Krämer. Hinter dem Roggenwagen kam die türkische Musik (Vorläufer des Musikvereins), der Kirchenchor, sowie die Geistlichen      

Am 17. August 1831 wurde die Kapelle exsekriert und im selben Jahr am 12. Dezember niedergelegt. Das Baumaterial kaufte sich der Weißgerber Hermann Krämer. Gegenüber der Glocke und dem Altarstein machte die Sternbergsche Herrschaft ihren Rechtsanspruch geltend. Die hölzerne Statue von St. Vitus mit Kessel wurde an der Außenseite des damaligen Nachbarhauses St. Marcellinus, heute„Weinstadl“, eingelassen. Die etwa 1,20 Meter hohe Himmelskönigin am „Weinstadl“ mit Zepter und Krone, die der sich um die Erdkugel wendenden Schlange den Kopf zertritt, stammt vermutlich ebenfalls aus der damaligen St. Veitskapelle.

Walter Hermanutz im Juli 2015